Blinddate

24.07.2020 23:00

Ich hatte ein Date! Ein Blinddate. Eigentlich sogar zwei Blinddates um genau zu sein. Wohooo.

 

Mein Datepartner hat sogar einen gewissen Bekanntheitsgrad möchte ich nicht ganz ohne Stolz anmerken. Ich würde sogar so weit gehen, ihm einen Prominentenstatus nicht absprechen zu wollen. Er ist jedenfalls weltweit bekannt und in aller Munde, Gegenstand zahlreicher Schlagzeilen und im Moment wohl das meist gepostete Motiv in sämtlichen Fotogruppen: 

der Komet C/2020 F3 alias NEOWISE.

 

Natürlich komme auch ich wie viele andere Fotobegeisterte nicht um dieses Thema herum. Wann bietet sich einem schon einmal die Gelegenheit, einen Kometen zu sehen und ggf. sogar abzulichten?

 

Und warum Blinddate? Ganz einfach: Ich hab ihn erst fotografiert bevor ich ihn dann gesehen habe. Ich war also erstmal blind (womit wir wieder beim Thema nachlassende Sehkraft wären).

 

Wir waren letzte Woche in Urlaub an der Ostsee und hatten dort eine Ferienwohnung mit einem kleinen Eck-Balkon im fünften Stock eines Appartementhauses, der uns fast einen Rundumblick in alle Himmelsrichtungen ermöglichte. Der Göttergatte – deutlich interessierter an Himmelsobjekten als ich – las und checkte täglich alle Informationen zu Neowise und informierte mich ungefragt (dieses Wort sollte spaßeshalber durchgestrichen erscheinen und augenscheinlich durch das folgende Wort ersetzt werden, leider lässt mein doofer Webseitenbaukasten aber keine durchgestrichene Schrift zu) dankenswerterweise regelmäßig über die Details, wann und wo ich denn Ausschau nach ihm halten müsste.

 

Ich hatte jedoch nur die kleine Kamera mitgenommen und auch kein Stativ, und meine Begeisterung hielt sich grundsätzlich in Grenzen, mich mit dem Thema näher auseinanderzusetzen. Da "er" ja erst in dieser Woche der Erde am nächsten und damit am besten sichtbar sein sollte, plante ich eigentlich, meine Ausrüstung zu schnappen, wenn wir wieder zu Hause sind, mir dann eine geeignete Location zu suchen und ihn „vernünftig“ zu fotografieren..

 

Montagabend war ich relativ lange auf, die Familie schlummerte längst, und ich dachte mir vorm Zubettgehen, naaaaa gut, setz Dich mal lieber mit der kleinen Kamera - die ich zugegeben ewig nicht benutzt habe – nochmal auseinander. Hab also geguckt wie ich auf manuellen Fokus umstelle (das muss man bei der M100 im Hauptmenü der Kamera und nicht wie sonst üblich per kleinem Schalter direkt am Objektiv) und dachte, ich teste einfach mal kurz aus, was da eventuell für Einstellungen in Betracht kommen könnten. Hab mit der Kamera ja noch nie Nachtaufnahmen oder Langzeitbelichtungen gemacht. Der Plan war, wenn ich dann doch nachts mal wach werden und es mich auf den Balkon ziehen sollte, entsprechend vorbereitet zu sein. Ich ging also auf den Balkon, um ein paar Probe-Belichtungen in die grobe Richtung zu machen.

 

Das erste Bild sah auf dem kleinen Kamera-Display dann überraschend gut aus. Aber was war das? Warum war der eine Stern so verzogen und die anderen nicht? Und wieso war das auf dem zweiten Bild auch so? Und dann, als mir schwante, dass DAS doch tatsächlich der Komet sein könnte, den ich da quasi zufällig schon mit aufgenommen hatte, sah ich ihn auch am Himmel. Bis dahin war ich tatsächlich blind gewesen. Aber als ich ihn erstmal richtig entdeckt und sich meine Augen auch an die Dunkelheit gewöhnt hatten, war er so wie die Trillionen Sterne wirklich nicht mehr zu übersehen.

 

Tjaaaa, was soll ich sagen? Da war es wieder. Schlagartig war da so ein.. Kribbeln. Keine Ahnung, wie ich das Gefühl beschreiben soll, aber Fotografen werden es kennen. Wahrscheinlich ist es ein Drang. Ich MUSSTE jetzt wenigstens versuchen, den Kometen noch brauchbar zu fotografieren.

 

Leider war das Balkon-Geländer allein kein geeigneter Ersatz für das fehlende Stativ, aber dank einiger Verrenkungen, hier abstützen und da die Luft anhalten, waren einige der 6-8 Sekunden Belichtungen tatsächlich nicht (zu sehr) verwackelt. Nach einer Stunde unter dem sternenklaren Himmel war ich dann allerdings steif gefroren. Etwas spät kam ich erst auf die glorreiche Idee, mir mal etwas überzuziehen und danach gerade noch rechtzeitig darauf, den Göttergatten vielleicht mal aus dem Bett zu holen, damit er Neowise nicht verpasst. Wer weiß schon, wie oft oder wann das nächste Mal so ein wolkenloser Himmel in Schleswig-Holstein zu sehen ist. Männe erhaschte also in seine Bettdecke gehüllt begeistert einen Blick auf Neowise und verzog sich dankbar und zufrieden sofort wieder in seine Federn, während ich noch fast eine weitere Stunde lang versuchte, das Beste aus der kleinen Kamera rauszuholen (Anmerkung der Redaktion: die ist gänzlich ungeeignet für Langzeitbelichtungen, weisen die Bilder doch in etwa so viele Hotpixel auf wie Sterne), um bloß auf jeden Fall zu Hause am PC dann wenigstens ein oder zwei brauchbare Fotos zu haben, bevor ich dann auch endlich den inzwischen dringend nötigen Matratzenhorchdienst antrat.

 

Dass ich da am Ball geblieben bin, hat sich wirklich gelohnt, bzw. bin ich darüber echt froh. Am Dienstag regnete es den ganzen Abend, an einen Blick in die Sterne war nicht im Entferntesten zu denken, und am Mittwoch sahen wir alle drei gemeinsam nochmal einmal kurz dem „Kometen-Spektakel“ zu. Das war vermutlich ein einmaliges Erlebnis, als Familie mal einen Kometen zu sehen (da haben wir sie nun also wieder die emotionale Verbindung zu diesen Kometen-Bildern). Weitere Aufnahmen sparte ich mir aber, weil ich noch immer vorhatte, diese Woche zu Hause dann „richtig“ loszulegen.

 

Das versuchte ich auch, aber leider wurde das mein zweites Blinddate mit Neowise. Diesmal aber blind, weil er beim besten Willen nicht mehr für uns zu erblicken war. Erst waren mir die Wolken ein Dorn im Auge, bzw. verhinderten die Sicht, und dann hatte ich den besten Zeitpunkt wohl schon verpasst. Als am Dienstag die Wetterbedingungen vielversprechend waren und den Blick in den Himmel zuließen, stand Neowise offensichtlich schon so dicht über dem Horizont und war durch die Entfernung zur Sonne schon bei weitem nicht mehr so hell (von wegen, er wäre am besten zu sehen, wenn er am erdnächsten sein würde), dass ich ihn weder entdeckte, noch hätte ich ihn nochmal so deutlich ablichten können (dafür habe ich das erste Mal den Großen Wagen fotografiert, der mir als Orientierung helfen sollte). Eine nächtliche Fahrt durch Wald und Flur auf der Suche nach einem geeigneteren Standort als den heimischen Garten (mit weiteren Einfamilienhäusern drum herum, die offensichtlich die Sicht versperrten) ließ ich dann aber, auch wenn ich natürlich für das Motiv lieber einen Vordergrund/die Umrisse von Kornfeld oder Bäumen gehabt hätte als die Dächer von Großenbrode. Es sind also wieder einmal Fotos, die ich Euch zeigen möchte, die zwar nicht perfekt geworden sind, ABER sie sind gelungen, und ich freue mich, dass ich ihn überhaupt erwischt habe. Neowise.